Politischer Chor bittet zum Duell

Zusammen um die Wette singen
Das Ensemble von „Miteinander leben e.V.“ hat mittels IMPULS-Förderung zum „Chor-Battle“ geladen

Ensemble / Organisation
Verein Miteinander leben e.V. – POLITICALied
Projekttitel
"Darüber muss gesungen werden!" – Der politische 'Chor-Battle'
Bundesland
Schleswig-Holstein
Fördersumme
10.493 EUR
Genre
Vokal
Social Media / Website
Herzogtum direkt, 08.12.22

“Im Fazit erwies sich der erste ‚Chorbattle‘ somit als Begegnungsevent zweier Chöre auf Augenhöhe, sowohl gesanglich als auch im Repertoire ihrer politischen Lieder. Ein Gewinn für beide Ensembles, die sich nach dem ‚Chorbattle‘ kurzerhand zu weiteren gemeinsamen Proben im kommenden Jahr verabredeten. […] Auch Mark Sauer vom Verein Miteinander leben zeigte vom Verlauf des ‚Chorbattle‘ begeistert. ‘Unsere Idee, zusammen mit einem anderen Chor politische Lieder im Duell zu präsentieren, ist ganz und gar aufgegangen. Dass uns dies vom Bundesmusikverband Chor und Orchester (BMCO) im Rahmen des Bundesprogramms IMPULS ermöglicht wurde, ist wirklich ein zukunftsweisender Gewinn.'”

Projektmediathek

Politisches Lied

Energisch flüstert der Chor mit „Ticktack“ den Beat vor. Wie eine drohende Warnung, dass es längstens fünf vor zwölf ist… Der Klimawandel ist in dem Song „Beds are burning“ der australischen Rockband „Midnight Oil“ allgegenwärtig. Auch wenn es 1987, als das Lied rauskam, thematisch um etwas anderes ging, nämlich um Landrückgabe an den Aborigines-Stamm der Pintupi. Aber die Frage im Refrain – wie wir jetzt tanzen können, wo doch alle Betten in Flammen stehen – reißt einen heute auf neue und immer noch packende Art mit. Das bewies jedenfalls der Chor POLITICALied vom Verein „Miteinander leben e.V.“ aus Mölln in Norddeutschland. Er hatte den Song in einer Fassung für 4-stimmigen Chor mit Klavierbegleitung einstudiert und trat damit bei dem von ihm veranstalteten „Chor-Battle“ fürs Politische Lied an.

 

Wettstreit der Vokalensembles

Dabei sollte es ähnlich wie bei einem Song Contest zugehen: Die teilnehmenden Chöre – allesamt mit politischen Liedern im Repertoire – treten nacheinander auf und am Ende kürt das Publikum mittels lautstarkem Applaus sein Gewinnerensemble. Allerdings war das Ganze auf keinen Fall als knallharter Konkurrenzkampf zu verstehen. Vielmehr ging es um die sich gegenseitig befruchtende musikalische Begegnung. Und die fand im besten Sinne gemeinsam statt.

 

Gleichgesinnte finden

Wie überall hatte auch beim Chor POLITICALied das Singen während der Pandemie stark gelitten. Das noch sehr junge Ensemble wollte deshalb 2022 wieder neu durchstarten. Es hatte sich 2019 als Projektchor gegründet, und zwar heraus aus dem Verein „Miteinander leben e.V.“, der in Mölln vielerlei Konzepte für eine demokratie- und menschenorientierte Gesellschaft verfolgt. In Mölln starben 1992 bei einem von zwei Neonazis verübten Brandanschlag zwei Kinder und deren Großmutter. In Reaktion auf diesen Anschlag engagiert sich der Verein bis heute deshalb besonders gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus. Aus diesem Grund widmet sich auch der Chor POLITICALied unter Leiterin Anna Bertram so intensiv der politischen Musikliteratur. Den „Chor-Battle“ hatte man vor allem ausgeschrieben, um in der Region andere Vokalensembles aufzuspüren, die sich ebenfalls dem Genre des Politischen Lieds verbunden fühlen. Und tatsächlich: Der Lübecker Gewerkschaftschor „Brot & Rosen“ nahm die Herausforderung an – allerdings als das einzige Ensemble. So wurde aus dem angedachten „Chor-Battle“ ein „Chor-Duell“ oder vielmehr – weil man viel gemeinsam musizierte – ein „Chor-Duett“.

 

Durchdringender Austausch

Mithilfe der IMPULS-Fördergelder konnten sich die beiden Chöre zu einem gemeinsamen Workshop mit professioneller musikpädagogischer Unterstützung treffen. Man probte dabei zusammen und auch einzeln das eigene und das Repertoire des jeweils anderen Chores. Zudem sang der eine Chor mal unter der Leitung des anderen Chores und umgekehrt. Eine tolle Erfahrung für alle. Hier stießen unterschiedlichste Lieder aufeinander. Etwa das von Hanns Eisler vertonte Antikriegsgedicht von Kurt Tucholsky „Der Graben“ auf den „Schrei nach Liebe“ der Punkrock-Band „Die Ärzte“. Das jiddische Lied „Mir lebn eybik“ („Wir leben ewig“), das Lejb Rosenthal einst für Menschen im Ghetto komponierte, studierten beide Chöre miteinander ein.

 

Vielstimmig für die Demokratie

Erst am Ende dieser gemeinsamen Proben wurde dann der Wettstreit vor geladenem Publikum mit etwa 30 Zuhörer*innen ausgetragen. Die beiden Chöre sangen, wie vorab vereinbart, abwechselnd jeweils vier Stücke, gefühlt allesamt gleich gut und spannend. Das empfand auch das Publikum so. Denn mit Auge und Ohr beim Applaus ließ sich beim besten Willen nicht sagen, bei wem lauter oder stärker geklatscht wurde. So einigten sich die freundschaftlichen Konkurrenten auf ein Unentschieden. Hinzu kommt, dass beide Chöre schwer miteinander vergleichbar sind: Bei POLITICALied singen etwa zehn Leute, beim Lübecker Gewerkschaftschor sind es mehr als doppelt so viele. Spannender als der Wettbewerb war letzten Endes aber das Programm selbst, das durchaus als Statement für die Demokratie zu verstehen war. Beim Politischen Lied kann man Entdeckungen machen. Beim Zuhören und beim selbst Singen sowieso. Weil es den beiden Chören so viel Spaß gemacht hat, wollen sie im nächsten Jahr auf jeden Fall weiter zusammen proben. Einen „Battle“ wird es aber eher nicht geben. Anstatt gegeneinander singen beide lieber miteinander im großen Chor.

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